Im Angesicht der unzureichenden finanziellen Beteiligung stellt der amerikanische Präsident Donald Trump die Beistandspflicht in Frage. Europa reagiert mit einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Positionspapiere der Rüstungsindustrie überschlagen sich nach Bekanntwerden der historischen Investitionsabsichten. Die entscheidende Frage bleibt: Wohin sollen diese zusätzlichen Mittel konkret fließen? Deutschland steht in einem strategisch entscheidenden Moment der NATO-Verteidigungsplanung. Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben und die strategische Streitkräfteplanung bieten die Gelegenheit, Deutschlands Position innerhalb des Bündnisses zu stärken und gleichzeitig die transatlantische Allianz zu festigen.
Die Nationale Sicherheitsstrategie und die daraus abgeleiteten Verteidigungspolitischen Richtlinien Deutschlands betonen die zentrale Rolle der NATO für die Verteidigung. Für die Streitkräfteplanung spielt der NATO Defence Planning Process eine Schlüsselrolle. Jüngst gelang die Einigung von 32 Nationen auf einen militärischen Level of Ambition: die Abschreckung und Verteidigung gegenüber der militärischen Aggression Russlands. Erstmals wurden dabei aus den neuesten NATO-Operationsplänen konkrete Planungsziele abgeleitet. Das für Juni 2025 anstehende NATO-Gipfeltreffen in Den Haag sieht als Höhepunkt die formale Akzeptanz dieser Planungsziele für alle 32 Mitgliedstaaten durch die Staats- und Regierungschefs vor. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die USA ihre Planungsziele in Frage stellen. Damit ergibt sich für Deutschland als zweitgrößter Truppensteller die Möglichkeit, potenzielle Erhöhungen im Verteidigungsetat konsequent und strategisch entlang dieser Planungsziele umzusetzen, um so auch die Führungsrolle Deutschlands innerhalb der Allianz zu stärken.
Bei den 100 Mrd. € des ersten Sondervermögens galt es, schnellstmöglich marktverfügbares Material zu beschaffen. Nun ist eine Rückbesinnung auf die Grundlagen der strategischen Streitkräfteplanung geboten. Der NATO-Planungsprozess gibt klare, unter 32 Nationen harmonisierte Handlungsanweisungen für die Fähigkeitsentwicklung Deutschlands vor. Ihre Erfüllung versetzt das Bündnis bestmöglich in die Lage, die territoriale Integrität der Mitgliedsstaaten zu verteidigen. Kurzfristig (0–6 Jahre) müssen alle Investitionen die Bereitschaftsgrade der Truppe deutlich erhöhen.
Die Landstreitkräfte müssen über vollständig befähigte Kampfkorps verfügen, einschließlich der Ausstattung mit Munition und der logistischen Kette. Diese Forderung umfasst dabei Personal, Material, Infrastruktur sowie die notwendige Ausbildung.
Die umfassende Luftabwehr im Rahmen der NATO-integrierten Luftverteidigung erfordert die schnellstmögliche Bereitstellung von Abwehrfähigkeiten gegen jegliche Bedrohungen aus der Luft. Neben der Bereitstellung aktiver kinetischer Fähigkeiten müssen auch passive Schutzmaßnahmen wie die Härtung und Verstreuung von Hochwertzielen, einschließlich kritischer Infrastruktur, berücksichtigt werden.
Im Fokus steht die Bereitstellung von „Joint Deep Precision Strike“ – also der Fähigkeit, insbesondere in den traditionellen Domänen (Land, Luft und See), in die Tiefe des Raumes zu wirken. Hierbei gilt es, insbesondere mit Blick auf Reichweiten die Entwicklungen und Erfahrungen aus dem Ukrainekrieg zu berücksichtigen.
Der Ukrainekrieg darf aber keine Blaupause für kurzfristige Beschaffungen sein. Die jüngsten Forderungen der Rüstungsindustrie nach großen Stückzahlen von Drohnen bis hin zu „Drohnenwällen“ sind nicht zielführend. Notwendig ist es, Einsatzbereiche für Drohnen zu identifizieren und diese zielführend, effektiv und effizient im Verbund einzusetzen. Die NATO-Planungsziele als leitende Handlungsmaxime stellen dabei die multinationale Interoperabilität im Bündnis sicher.